6 Tipps fürs Klettern 50+
(scroll down to english version: Six Tips for Climbing at 50+)

Ich finde es großartig, auch im fortgeschrittenen Alter (72 Jahre 2024) das Klettern zu haben. Wände hochzugehen macht mir Freude und trainiert meinen Körper, ohne dass ich mich zu einem langweiligen Fitnessprogramm zwingen muss. Und ich treffe dabei alte Freunde und lerne neue Leute kennen.
Ich genieße das. Aber noch mehr Spaß habe ich, wenn ich beim Klettern dazulerne und Ziele erreiche.
Für Senioren, denen es ähnlich geht, habe ich ein paar Tipps zusammengestellt, wie man dabei vorgehen kann.
Dabei habe ich einen Text über „old folk“ von Steve Mc Clure zur Anregung benutzt und einige seiner Regeln abgewandelt und kommentiert. Wobei meine persönlichen Erfahrungen eingeflossen sind.
Disclaimer: Kann gut sein, dass das nicht für jeden älteren Kletterer passt – jeder Körper ist anders, und wir Alten sollten ihm besonders gut zuhören.
„Old folk“ nennt Mc Clure übrigens schon alle über 45. Er war 48 Jahre alt, als er 2017 die damals schwierigste Route Englands schaffte, „Rainman“, 9b.
Auch wenn man kein Spitzenkletterer war oder ist wie Mc Clure, kann man als oider Krauderer von den folgenden Tipps profitieren. Und zwar ohne zum Trainingsmonster zu mutieren oder sich zu quälen.
1. Verletze dich nicht
2. Trainiere deine Stärken
3. Bleibe oder werde beweglich
4. Klettere regelmäßig auch mit hoher Intensität
5. Fürchte dich nur dort vor dem Fallen, wo es sinnvoll ist
6. Habe Spaß!
Bevor man sich daranmacht zu trainieren (in welcher Form auch immer), sollte man sich ein konkretes Ziel setzen. „Besser werden“ oder „nicht nachlassen“ ist zu ungenau. Konkret wäre zum Beispiel der Plan, eine bestimmte Route zu klettern oder einen bestimmten Grad on sight zu schaffen. Das motiviert viel stärker, und der Erfolg lässt sich überprüfen.
1. Verletze dich nicht
- Training am Campusboard, bouldern mit Abspringen und im modernen Stil (dynamisch zwischen Volumen, schulterlastig)– das kann vor allem für Ältere gefährlich sein. Bouldern im Toprope ist eine gute Alternative.
- Wenn etwas wehtut oder auch nur ein bisschen zwickt, lieber aufhören und erst mal abwarten, was sich daraus entwickelt - mindestens bis zum nächsten Tag.
- Wirklich gut aufwärmen. Kann verrückt lange dauern, vor allem bei Kälte. Ich brauche in der Halle etwa 5 Aufwärmrouten, allmählich in der Schwierigkeit aufsteigend.
- Training der Schulterstabilität. Ich mache nur ein bisschen (zwei Übungen zweimal pro Woche), aber mehr ist sicher günstig, vor allem bei Menschen mit langen Extremitäten.
- Aufhören zu klettern, bevor man total platt ist. Denn die meisten Verletzungen passieren, wenn man müde ist.
- Rücksicht auf Einschränkungen nehmen, etwa Arthrose im Knie (Ägypter sind da gefährlich) oder Ellbogenschmerzen beim Blockieren. Meistens kann man riskante Moves durch andere Bewegungsvarianten ersetzen.
2. Trainiere deine Stärken
Beim Coaching wird meistens empfohlen, vor allem die Schwächen zu trainieren. Aber ich glaube, dass das eher etwas für jüngere Kletterer ist, die leistungsstarke Allrounder in jeder Art von Kletterei am Fels und in der Halle werden wollen. Ich bin jetzt über 70 und klettere im Wesentlichen nach dem Lustprinizip. Dazu gehört, dass ich mich nicht durch Schulterrisse quäle und in der Halle widerliche Sloper meide. Bei der Art von Kletterei, die mir am Fels am meisten Freude macht (gut strukturierter Kalk) zählt vor allem das Halten kleiner Griffe. Wer Sandstein oder Granit bevorzugt, wird sich natürlich mehr mit Rissen (Handkraft, Klemmtechniken) beschäftigen. Und reine Hallenkletterer haben wieder andere Prioritäten, etwa Dynamos oder raffiniertes Austricksen von Slopern. Das Entscheidende ist, sich auf das zu konzentrieren, was Freude macht und wo man Ziele erreichen will. Da sind dann auch die Erfolgschancen am besten.
3. Bleibe oder werde beweglich
Für die generelle Beweglichkeit und Körperspannung ist Yoga sicher gut geeignet. Für Leute, denen das Freude macht, ist das eine super Ergänzung zum Klettern. Mir liegt es nicht, ich finde es zeitaufwändig und schwer durchzuhalten. Daher trainiere ich meine Beweglichkeit kletterspezifisch. Zum Beispiel hohes und präzises Antreten, wobei aktive Beweglichkeit wichtig ist, also die Kraft, um die Beine hochzuheben. Außerdem ist eine gute Hüftöffnung sinnvoll, um den Körper näher an der Wand zu halten, und eine gewisse Spreizfähigkeit der Beine für Verschneidungen.
4. Klettere regelmäßig mit hoher Intensität
Will man im Alter (für einen selbst) grenzwertig schwere Routen klettern, so ist bei Cruxmoves öfter kerniges Anreißen gefragt. Junge Menschen tun das bedenkenlos, Senioren sind da vorsichtiger. Aber wenn man vor lauter Angst, sich zu verletzen, nur noch Routen spult, die man eh draufhat, baut man ab.
Ist man kein Spitzenathlet, dann passt es wahrscheinlich, 1-2 x pro Woche schwere Einzelstellen zu versuchen (Intensität 80 bis 90 Prozent der Maximalkraft). Projekte beim Seilklettern eignen sich dazu bestens. Wobei man noch neue Moves ausprobieren und technisch dazulernen kann. Ist das Abspringen kein Problem, kann man natürlich auch bouldern gehen.
Das Klettern von Ausdauer-Routen sollte nie vor, sondern immer nach einer harten Kraftbelastung folgen.
Um die Ausdauer zu erhalten genügt für Normalverbraucher eine Session pro Woche.
5. Fürchte dich nur dort vor dem Fallen, wo es sinnvoll ist
Angst zu haben raubt einem den Spaß. Und auch Kraft, weil man sich unter Stress viel zu sehr festhält. Obendrein geht dann oft noch die Klettertechnik flöten. Daher kann das Ablegen der Vorstiegsangst durchaus einen Grad mehr bedeuten. Wobei das Fürchten ja manchmal sinnvoll ist (siehe Tipp Nr. 1). Es gilt also, die Lage rational einzuschätzen, verletzungsträchtige Routen oder Stellen zu meiden (Clipstick!)und in ungefährlichen Situationen auch mal zu fliegen. Wer damit ein Problem hat, kann einen entsprechenden Kurs machen oder sich von einem Coach beraten lassen.
6. Habe Spaß!
Vielen älteren Kletterern wie mir macht das typische Trainieren (etwa am Fingerboard, Klimmzugstange) keine Freude. Was zur Folge hat, dass es nicht lange und intensiv genug durchgehalten wird und wenig bringt. Wer so gepolt ist, kann auch durch reines Klettern auf seine Ziele hinarbeiten – wenn er dabei einigermaßen planvoll vorgeht. Aber das ist nicht jederfraus Sache. Dann heißt es eben akzeptieren, dass das angestrebte Ziel nicht so wichtig und der Kletterspaß die Hauptsache ist.
Auch gut. Denn gerade im Alter erkennt man immer mehr, wie wenig Zeit einem bleibt und wie wichtig es ist, sie zu genießen.
Six Tips for Climbing at 50+
I find it great to go climbing at a ripe old age of over 70. It is fun to move up vertical rock, and it trains my body without having to endure a dull fitness programme. Through climbing I meet old friends as well as getting to know new people. But I gain even more from learning to climb better and to reach seemingly unachievable goals. For other senior citizens with a similar orientation I have put together a few tips.
These suggestions were triggered by Steve Mc Clure’s piece “Old Folk”. Based on my own experiences, some of his rules were slightly changed and commented. Disclaimer: It is quite possible that my advice doesn’t meet the needs of every senior climber – each body is different, and we old ones should listen to it very carefully.
By the way – Steve Mc Clure calls all people over 45 “old folk”. He was 48 years old when he sent “Rainman” 9b, the hardest route in England at that time.
Even if you aren’t a leading climber like Mc Clure, you can profit from the following tips as an old geezer. Without suffering or mutating to a training monster:
1. Don’t injure yourself.
2. Train your strong points.
3. Stay or become flexible.
4. Climb regularly, also at a highly intensive level.
5. Don’t be scared of falling where it is safe.
6. Have fun!
Before you start to train (no matter in which form), you should set a concrete goal. “To get better” or to “keep one’s standard” isn’t clear enough. In contrast, to climb a specific route or to achieve the ability to climb routes of a certain grade are examples for precisely defined goals. This is much more motivating, and success can be verified.
1. Don’t injure yourself
- Stay away from training on the campus board, bouldering in the modern style (dynamically between volumes - far too much strain on the shoulders!). Toprope bouldering is the much better alternative.
- If something hurts or even only slightly twinges, it is better to stop at least until the following day and to look out for what develops.
- Really warm up well. This can take a damn long time, especially in cold weather. I need at least 5 warm-up routes on the climbing wall with increasing difficulties.
- Particularly train your shoulder stability. I only do two exercises twice a week, but more would be better, especially for people with long limbs.
- Stop climbing before you get very pumped. Most injuries happen when you are tired.
- Treat your limitations with care. For instance, “Egyptians” are dangerous if you suffer from arthritic knees, and people with elbow problems should stay away from locking off. Most often you can substitute risky moves with other techniques.
2. Train your strong points
Most climbing coaches would advise you to improve your weak areas of performance. But I believe that this is valid more for younger climbers who are striving to become high performing allrounders in every type of climbing, on rock as well as on plastic. I am over seventy now and I basically climb following the pleasure principle. So I don’t struggle up a horrible offwidth crack and avoid those revolting slopers. The climbing I most enjoy is on well structured limestone with small crimpy holds. People who prefer granite or sandstone, will naturally be dealing with cracks, that call for good holding power and advanced jamming techniques. People focussing on artificial walls will again have different priorities, like explosive dynamos and learning to work miracles on slopers by the laying on of hands. It is essential to concentrate on what you really enjoy and to choose your goals correspondingly. Then your chances for success will be best.
3. Stay or become flexible
To train general flexibility and body tension, Yoga (and Pilates) are certainly very suitable. For people who like to practice these methods, they certainly are an excellent complement to climbing. However, they are nothing for me, finding them too time consuming and difficult to keep up. So I train my flexibility specifically for climbing. For instance, to achieve high and precise foot placement, calling for active flexibility - the limberness and power to lift the legs very high. Also, an open pelvis is useful, allowing to keep your body closer to the wall, as well as the ability to perform extended spreads in dihedrals.
4. Climb regularly, also at a highly intensive level
If you want to climb hard routes at your personal limit, it will be necessary to pull really hard at the crux moves. Young people do this without holding back, while senior climbers tend to be more hesitant.
But your standard of climbing decreases if, for fear of injury, you limit yourself to the cruising routes.
Except for top athletes, it is probably sufficient to try hard crux moves once or twice a week, at 80 or 90 percent of your maximal power. In roped climbing, your projects will provide a perfect opportunity for this. Hereby you can try out new moves and improve your technical abilities. If jumping off isn’t a problem, of course you also can go bouldering.
You should climb hard endurance routes always after and never before the stress of close-to-the-limit maximum-power-moves. To keep your endurance, one session per week is enough for the general costumer.
5. Don’t be scared of falling where it is safe
Fear kills the fun of climbing. And it also steals your strength, as you hold on much too hard if you are afraid. On top of that your climbing technique also often evaporates. So to lose your fear of leading can easily mean to advance a whole grade. However, healthy caution also has its place – see tip number one. Check out the situation rationally. Stay away from dangerous routes and don’t hesitate to disarm a hazardous section with a clipstick. But also don’t hesitate to fall if the situation is safe! If this seems difficult, you can take a special course in air traffic control or hire a coach.
6. Have fun!
For many older climbers like myself typical climbing training, maybe on a fingerboard or a pull-up-bar, just isn’t fun. So we don’t train long and hard enough - and the results are negligible. People of such persuasion can work towards their goals solely by climbing, if they follow a halfway systematic approach. But this also isn’t everybody’s cup of tea! Then you will have to accept, that the aspired goal is not that important after all and that your top priority is having fun. That’s fine too! If you’re old, you realize how little time you have left and how important it is to enjoy it.
This text has already been published in 8a.nu.
Thanks to Nicho Mailänder for the translation!
